Der Solidaritäts-Würfel: Ein Prototyp in der Entwicklung
- Bettina Eiben Künzli
- 19. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Sept.
2025-09-19
Die Idee für den Solidaritäts-Würfel, der unter anderem dazu dient Kultur bewusst zu gestalten, ist nicht am Schreibtisch entstanden, sondern aus einem ganz persönlichen Ringen heraus.
Wir, das Projektteam bei "Learnovation", wollten ein Projekt aufbauen, das Bildung für alle zugänglich macht – unabhängig vom Einkommen, von der Herkunft oder den Möglichkeiten einer Familie. Doch schon beim ersten Schritt standen wir vor einer scheinbar einfachen, in Wahrheit aber sehr komplexen Frage: "Wie legt man faire Preise fest?"
Auf der einen Seite standen unsere eigenen Kosten: Miete, Strom, Materialien, Zeit. Dinge, die sich nicht wegdiskutieren lassen und die in der Realität bezahlt werden müssen. Auf der anderen Seite stand unser Herzensanliegen: Chancengleichheit. Niemand sollte ausgeschlossen sein, nur weil das Portemonnaie zu klein ist.
Wir merkten schnell: Es reicht nicht, einfach einen Betrag aufzuschreiben. Jedes Preismodell berührt grundlegende Fragen:
Wie viel ist Bildung wert?
Wie verhindern wir, dass Klassismus den Zugang bestimmt?
Wie können wir solidarisch sein, ohne uns selbst zu überfordern?
Dieses Ringen machte uns bewusst: Wir brauchen ein Werkzeug, das uns (und anderen mit ähnlichen Ideen) hilft, diese Spannungen sichtbar zu machen – und Schritt für Schritt auszubalancieren.
So entstand der Solidaritäts-Würfel.
Er ist kein fertiges Rezept, sondern ein Denk- und Dialoginstrument. Jede Seite des Würfels steht für eine Dimension, die wir in unsere Entscheidungen einbeziehen müssen:
Zugang – wer gehört dazu?
Kosten – was braucht es zur Basisfinanzierung?
Solidarität – wie teilen wir Lasten und Chancen?
Flexibilität – wie bleiben wir anpassungsfähig?
Wertschätzung – wie machen wir Beiträge sichtbar?
Nachhaltigkeit – wie bleibt das Modell tragfähig?
Sicher ist das für manche nichts Neues. Modelle wie dieses gibt es, und viele Organisationen haben längst Erfahrungen mit solidarischen Preissystemen gesammelt. Aber für uns ist es eine Entdeckungsreise. Wir wissen, wir haben das Rad nicht neu erfunden – und doch ist es unser Rad, unser Weg, unser Lernen.
Genau darin liegt für uns die Kraft: selbst entdecken, selbst scheitern, selbst lernen. Auch wenn schnelles Prototyping nicht immer „innovativ“ ist, ist es sinnstiftend – weil es in echte Erfahrung eingebettet ist. Und das ist es, was Lernen ausmacht: Wir knüpfen Erkenntnisse an Emotionen, an Geschichten, an gemeinsame Momente.
Uns ist bewusst, dass das Leben in der Schweiz von gehobenem Standard und damit verbunden vergleichbar teuer ist und Projekte nicht ohne Kosten funktionieren. Gleichzeitig wissen wir: Es braucht Modelle, die nicht auf Kosten anderer gehen, sondern in einer Win-Win-Gemeinschaft tragen. Wir wollen nicht ein klassisches KMU sein, und auch keine NGO. Wir wollen einfach ein Projekt mit einem solidarischen Fundament sein – offen, lernend, gemeinschaftlich.
Das Drehen, Anfassen und Würfeln macht deutlich: Es geht nicht um „die eine“ richtige Lösung, sondern um ein ständiges Aushandeln. So bleibt das Modell lebendig – und wird nicht langweilig.
Wir sehen den Würfel als Einladung an alle, die in ähnlichen Spannungsfeldern arbeiten: NGOs, Vereine, soziale Start-ups, aber auch Unternehmen, die Verantwortung übernehmen wollen.
Denn am Ende geht es um mehr als Preise. Es geht um eine Haltung: Bildung als Gemeingut, getragen von Solidarität, Wertschätzung und Fairness.
Wir brauchen den Solidaritäts-Würfel nicht als fertige Lösung, sondern als Teil eines laufenden Prozesses. Er verändert sich mit uns, mit den Erfahrungen, den Menschen, die mitdenken, und den Kontexten, in denen wir arbeiten.
Mal dokumentieren wir, mal passen wir an, mal verwerfen wir auch wieder und erfinden neu.
So bleibt der Würfel das, was er sein soll: ein Werkzeug zum Denken, zum Diskutieren, zum gemeinsamen Weitergehen. Kein starres Modell, sondern ein lebendiges Fundament für etwas, das grösser werden darf.





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